Mamduh Adwan
(Syrien)

Geboren 1941 in Hama. Studierte englische Literatur- geschichte an der Uni"ersit?t Damaskus. Hat bis Ende der 70er Jahre journalistisch gearbeitet, um sich danach seiner litararischen Arbeit zu widmen. Neben Lyrik schrieb er Theaterstücke

Laila und der Wolf

Laila wuchs heran
bis ihr um die Brust das Meid eng wurde.
Sie wuchs heran.
Es wurde ihr eng um die Brust
durch die in heuchlerischen Ratschl?gen
verh?ngten Verbote
Ratschl?ge zur Gel?hrlichkeit von Eremden
einer Welt voller W?lfe.
Eines Nachts floh sie aus der Geborgenheit
des Hauses
um im Wald nach einem solchen Wolf zu suchen. Ihre Gro?mutter bekam`s mit der Angst
sie schlüpfte in das Meid des Wolfs
und begegnete Laila im Dunkel.
Sie herzte sie z?rtlich.
In der W?rme der Umarmung sprach sie kein Wort. Laila stand da und schwieg
erwartungsvoll sah sie den "Wolf" an
bis er wieder verschwand.
Entt?uscht ging sie heim.
Denn der Wolf ohne Rei?z?hne hatte ihr nicht gefallen.

Das Kind im Gedicht

Das Kind hüpft zwischen den Zeilen des Gedichts
umher
das Versma? gef?llt ihm, es tanzt nach ihm.
Auf den Reimen ruht es sich aus
es l??t die Beine baumeln
es stellt sich vor, sie baumelten wie eine Schaukel.
Es l?chelt mir zu, und ich sage`:
"Gib acht, da? du das Gedicht nicht rüttelst und
schüttelst.
Es l?uft sonst über, und das Metrum flie?t heraus."
Das Kind beschmiert seine Finger mit Tinte, um
schelmische Streiche zu machen.
Ich schreie: ,,Hüpf` nicht soviel heruml"
Dann schreibe ich weiter, Vers für Vers
und es l?uft jede neue Zeile entlang
und hüpft zum Anfang zurück
oder versteckt sich hinter einer Hebung.
Es schleicht sich von dort ans Ende der Zeile.
Es kaut ein paar Worte, die ihm gerade greifbar sind
und spuckt sie wieder aus.
Flink f?ngt es einen Satz von mir auf
es macht ihm Spa?, mir zu helfen.
Ich gebe acht, da? die W?rter ihm nicht
auf die Fü?e fallen.
Meine H?nde versuchen, ihm die Last, die`s in der
Hand tr?gt, abzunehmen.
(Soll ich damit meine Zeit vergeuden?)
Doch glücklich setzt es die Worte dorthin, wo sie
hingeh?ren
es balanciert sie auf der Linie des Schreibens.
Es setzt sich hin, um sie sich vom Ende
her anzusehen.
Ohne meine Erlaubnis mischt es sich ein
es fügt ein paar Worte zusammen, wie es ihm pa?t
Der Elefant erh?lt ein Fahrrad
die Sonne einen Ventilator
das Nachbarhaus Flügel
die Ungeheuer bekommen Gr?ber
der Gehsteig Elektroschalter, damit man ihn
hochklappen kann.
Schelmisch lacht es mich an.
Jetzt ist es ein Punkt am Ende des Satzes.
(Ich werde die Punkte wieder entfernen.)
Ich kehre zur Pracht des Gedichts zurück
vertiefe mich in es...
Da überrascht mich ein Rumpeln:
Das Kind hat einer Zeile einen Tritt versetzt und sie umhergeschleudert
Mutwillig hat es an einem Mlif gerüttelt
da ist seine Hamsa* heruntergefallen
und als der Satz es entzückt hat
hat es ein Ued gesungen.
Ich murre: "Du Schlingel, du hast das Gedicht kaputt
gemacht!"
Das Kind ist beleidigt
achtlos tritt es gegen ein "und"
dann raffi es wütend sein Spielzeug zusammen
da sehe ich darunter den Schmetterling und die Wolke
ein Tohuwabohu und einen selbst ersonnenen Sturm
ein Lispeln und Schmutz auf seiner Brust und
auch auf der Zeile -
nicht weiter schlimm, es soll nur gehen.
Dann werde ich meine Ruhe haben vor seinem
kindiichen Schabernack.
Es geht auch, ohne sich noch einmal umzudrehen
es zieht wie ein artiges Hündchen
emen Traum hinter sich her
selbstbewu?t zieht es sein L?cheln
und das Hallen seiner Schritte hinter sich her.
Es geht: mal h?ngt die Lippe schmollend herab
mal ist der Mund zusammengekniffen und zittert
ein Auge zieht sich zusammen, um Tr?nen
zu vergie?en -
Ich werde mich erholen.
Ich schlie?e die Tür des Gedichts.
Ich beginne mit einer neuen Zeile.
Die Worte streben einem allm?hlich sich
abzeichnenden Ziele zu
poetisch tauche ich ein ins Gedicht
betrete sein Dunkel.
Das Kind überrascht mich mit einem
durchdringenden Blick
durch die Fensterscheibe hindurch.
Wütend gehe ich hin
keine Zeit jetzt für Kinderspiele.
In meiner Wut zerdruck` ich die neuen W?rter
zieh` die Fenstervorh?nge zu
dann zieh` ich sie wieder auf
ich suche zusammen, was das Kind hier liegen
gelassen hat
und werfe es ihm hinaus:
das hartn?ckige Weinen, wenn es hungrig ist
das schelmische Lachen
den teuflischen Zorn
Litaneien voller Fragen
die sogar der Esel beantworten kann:
"Wohin geht die Sonne am Abend?
Wo schl?ft sie?"
Ich bleibe st?rrisch wie ein Maultier
wenn es bei mir etwas fmdet, das ihm geflillL

Es lacht über Dinge, die Erwachsene nicht zum
Lachen bringen.
Ich zeige ihrn die Unschuld (die nich aus dieser Zeit ist).
Dann schlie?e ich die Fenster
ziehe die Vorhange zu
die Dunkelheit zwischen den Zeilen des Gedichts
ist mir angenehm.
Diese Finsternis ist angenehmer als die strotzende
Kraft, die ich wollte
die Stille bringt die Worte in ihren Rhytlimus zurück.
Ich atme erleichtert auf
wie jemand, der durch K.O. gesiegt hat.
Reim für Reim genie?` ich die Reize meiner Poesie
ich betrachte diese sch?ne Ruhe, die sie umgibt.
Meine W?rter überraschen mich
sie lassen die K?pfe h?ngen, eins nach dem andern
ich durchforsche die Zeilen des Gedichts
und stelle mit Schmerzen fest, da? sie leer sind.


*arabische Schriftzeichen in der Art des i, wobei das Hamsa dem Punkt entspricht
Aus dem Arabwchen von SILleman Taufiq

Die Deutsche Bibliothek CIP-Einheitsaufnahme
Zwischen Zauber und Zeichen: moderne arabische Lyrik von 1945 bis heute. Khalid M-Maaly (Hg.). -
Berlin: Verl. das Arab. Buch, 2000
ISBN 5-86095-242-X

1. Auflage 2000
2000 Verlag Das Arabische Buch, Berlin ,Titelbild: Hassen Abed Alwan
Mle Rechte vorbehalten
Prlnted in Lebanon
E-mail: info@das-arabische-buch.com
www.das-arabtsche-buch.com