Abdallah Zrika

»Der marokkanische Poet Abdallah Zrika gilt als einer der Wegbereiter einer modernen marokkanischen Lyrik. Seine Poesie ist nicht greifbar, macht keine Zugeständnisse, ist zugleich nobel und grob, gewalttätig, wahnsinnig wild.(…) Einen wichtigen Hintergrund für seine Poesie bildet Casablanca, doch handelt es sich dabei nicht um die Stadt, wie sie heute ist, sondern um einen sehr intimen Ort, seine persönliche Topographie, die aus Orten, Menschen und Worten besteht.(…) Diese Topographie ist keine bloße Erinnerung, sondern bietet ihm eine andere Welt, in der er träumen, in der er
existieren kann.«
Michaela Kleinhaus »Abdallah Zrika - ein Porträt«, aus KLfG (in Vorbereitung)

»Zrikas Poesie ist unprogrammatisches, regeloses und assoziatives lyrisches
Sprechen, das an Spontaneität in der (hoch-) arabischen Literatur der Gegenwart unübertroffen ist.«
Stefan Weidner, »Die Farbe der Ferne. Moderne arabische Dichtung«

»Ich weiß nicht recht. Das Einzige, was ich wirklich weiß, ist, dass ich eines Tages beschloss, meinen Namen auszureißen, ihn mit Gewalt aus meinem Körper zu entfernen. Ich weiß nicht recht, wie es dazu kam, aber für mich ging das so: Ich habe alle meine Kleider abgelegt und die Tür ein wenig geöffnet. Wie, das weiß ich nicht. Ich wollte völlig nackt hinausgehen. Ich wollte alles loswerden, wollte es wegwerfen wie Müll. Ich hatte in diesem Augenblick das Gefühl, alle Menschen seien gegen mich, ja selbst die Wörter mieden mich. Es war ein Gefühl, als ob ich leer geworden wäre. Ein Gefühl von dröhnender Leere.«
Abdallah Zrika »Die leeren Wände meines Körpers« (übersetzt von Hartmut Fähndrich)

»Abdallah Zrikas Sprache ist eher schlicht, seine Gedichte sind größtenteils umfangreiche Prosadichtungen, welche die Welt mit ihren Bildern auf den Kopf stellen. Das Auge sieht nicht, das Licht erhellt nicht, das Weiß flüchtet von der Wand. Zrikas Dichtungen sind voller Bilder, die zumeist gegensätzlich oder widersprüchlich sind, häufig absurd, geradezu kafkaesk.«
Le matricule des Anges Nr. 24 Sep./Okt. 1998

Bibliografie
»Teufelsmensch« (Auszug), in: Khalid al-Maaly (Hg.): Zwischen Zauber und Zeichen. Moderne arabische Lyrik von 1945 bis heute, Das arabische Buch, Berlin 2000,
S. 359 – 365.
»Blaue Weißen« und »Das Rot des Sonnenmenschen«, in: Stefan Weidner (Hg.):
Die Farbe der Ferne. Moderne arabische Dichtung, München, Beck 2000, S. 215 – 220.
Abdallah Zrika, »Der Slum lässt mich nicht los« in: Merian Marokko, Januar 1987
Thomas Hartmann, »Abdallah Zrika. Der Dichter aus den Steinbrüchen«, in:
IKA Zeitschrift Internationaler Kulturaustausch, 1985.

Abdallah Zrika
Zrika wurde 1953 in einem der größten Slums Marokkos in Casablanca geboren. In einem Artikel beschrieb er 1986 die Atmosphäre in den Carrianes, dem Slum in den ehemaligen Steinbrüchen von Casablanca, um darzustellen, was es für einen Menschen und seine Sprache bedeutet, dort zu leben.

In den 70er Jahren ein Idol der marokkanischen Jugend, 1978 inhaftiert, gilt Abdallah Zrika als einer der Wegbereiter einer modernen marokkanischen Poesie. Er hat eine arabophone Bildung genossen, Soziologie studiert und sein Lehrerexamen abgelegt, bevor er sich der Poesie wittmet. Seine Lyrik stellt einen Bruch mit der traditionellen hocharabischen Poesie dar, sowohl was die Sprache als auch was den Inhalt betrifft und ist mit seiner Laufbahn durchaus typisch für einen Teil der ersten Generation nach der Unabhängigkeit.

Sie entstammten nicht der marokkanischen Bildungselite aus Fes, die sowohl für die arabophone als auch für die frankophone marokkanische Kultur und Literatur wichtige Grundsteine gelegt hat, sie sind nicht mehr dem Nationalismus ihrer Vorgängergeneration verpflichtet sondern der sozialen und auch politischen Realität, für die sie eine neue Sprache finden.

Zrikas umfangreiches Lyriksammelband Bougies Noires erschien 1998 in einer zweisprachigen arabisch-französischen Ausgabe, die in Frankreich sehr positiv aufgenommen wurde und einen guten und umfassenden Überblick über seine Poesie bietet. Von Zrika selbst übersetzt sind die Petites Proses, kleine Prosastücke, die, sprachlich seiner Poesie eng verbunden, seine Worte und Assoziationen sehr eindrucksvoll in einen narrativen Rahmen stellen. Auch sein letzter Gedichtband Leitern der Metaphysik ist, von Zrika selbst übertragen, in Frankreich bereits erschienen und positiv aufgenommen worden. Abdallah Zrika lebt heute als freier Schriftsteller in Casablanca.

Zum Weiterlesen:
Abdallah Zrika
ein Porträt von Michaela Kleinhaus (Pdf-Dokument, 130 K)
aus: Kritisches Lexikon zur Fremdsprachigen Gegenwartsliteratur
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www.west-oestlicherdiwan.de/zrika.html